11 Aug

Zukunftsvertrag NRW (?)

Neue Regierung – alles besser? Auch wenn die Landtagswahl vom 15. Mai schon einige Monate zurückliegt und auch der neue Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in diversen Medien kommentiert wurde, möchten wir euch die wichtigsten Informationen daraus für den Alltag als Fußballfans mit auf den Weg geben. Zunächst ein kurzer Rückblick zur letzten Legislaturperiode unter FDP und CDU.

Was hat die alte Landesregierung im Hinblick auf die Rechte von Fußballfans beschlossen?

Unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet und dem Innenminister Herbert Reul wurde das Polizeigesetz in den letzten Jahren verschärft. Der Katalog an möglichen Repressionen wurde zum Beispiel durch eine verlängerte Präventivhaft oder den Einsatz von Tasern erweitert. Weiterhin wurden Überwachungsmechanismen verschärft, indem der Einsatz von Drohnen gestärkt wurde und Telefone, Handys und sonstige digitalen Geräte stärker kontrolliert werden können. Nach Auffassung der alten Landesregierung sollen die erweiterten Rechte auf Seite der Polizei mehr Härte im Kampf gegen internationalen Terrorismus zulassen.

Wie eine kleine parlamentarische Anfrage durch Bündnis ‘90 / Die Grünen im Februar 2022 an die alte Landesregierung gezeigt hat, wurde insbesondere der verlängerte Gewahrsam kaum gegenüber terroristischen Gefährdern angewandt, sondern vor allem gegenüber Klimaaktivisten. So wurden zwischen 2019 und 2021 204 Personen in Langzeitgewahrsam genommen. Davon machten Klimaaktivisten 41 bzw. vermutliche Klimaaktivisten 34 Personen aus, während zu 119 Langzeitgewahrsamen keine zugeordneten Angaben vorliegen. Der verbleibende minimale Bruchteil bezieht sich auf mögliche Terroristen. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig die Überprüfung der beschlossenen Änderungen ist. Die Verschärfung des verlängerten Gewahrsams von bis zu 14 Tagen wurde unangekündigt auf andere Gruppierungen von Menschen ausgeweitet und entgegen den Ankündigungen der terroristischen Abwehr auf andere Kreise angewandt.

Der vereinfachte Einsatz von Drohnen wurde schnurstracks durch den alten und neuen Innenminister eingeführt, indem seit 2021 mehr als 100 Drohnen an die Polizei NRW ausgeliefert wurden. Ursprünglich sollten die Drohnen im gleichen Bereich wie Polizeihelikopter eingesetzt werden. Erfahrungen aus dem letzten Jahr zeigen, dass damit auch die Einhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen überwacht wurde. Die Polizei suchte damit nach Menschenansammlungen. Bleibt abzuwarten, wann Drohnen auch offiziell zur Überwachung bei Fußballspielen in Münster eingesetzt werden. Bereits beim Westfalenpokalspiel 2014 in Hamm kreiste eine Drohne über dem Gästeblock. Auch wenn Drohneneinsätze der Polizei seit 2008 besonders im Osten des Landes durchgeführt werden, darf es nicht zur Praxis werden, dass sich Fußballfans durch Drohnen filmen lassen müssen. Dagegen wurde von Fans der Eintracht aus Frankfurt vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen erfolgreich geklagt.

Diese zwei Beispiele sollen zeigen, dass es sich lohnt, kritisch auf das Handeln von Politik und Polizei zu schauen. Von Terrorismusbekämpfung kann in beiden Beispielen nicht die Rede sein.

Was steht im neuen Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in NRW?

Der neue Koalitionsvertrag von CDU und Grünen trägt den Namen Zukunftsvertrag. Relevante Forderungen und Vorhaben in Bezug auf Fanrechte stehen in den Kapiteln Innere Sicherheit und Sport. Durch die erneute Berufung von Herbert Reul zum Innenminister sowie der damit verbundenen Übernahme des Innenministeriums durch die CDU trägt auch dieser Teil des Koalitionsvertrags die Handschrift dieser.

Als wachsame Instanz für die Einhaltung von Fanrechten als Bürgerrechte sehen wir einige Punkte dieses Vertrages kritisch:

  • Während durch parlamentarische Anfragen zuletzt deutlich wurde, dass sich die Datei „Szenekundige Beamte“ zunehmend zu einer Datenkrake entwickelt hat (siehe Berlin oder Bayern), in der umfangreich und langfristig Daten von Fußballfans gespeichert werden, sieht der neue Vertrag keine Löschung der Datei vor, sondern nur eine Reformierung.

  • Auch der Bericht der „Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze“ (ZIS) soll weiterentwickelt werden. Es bleibt zu hoffen, dass dieser nicht wie in der Vergangenheit für die Rechtfertigung der weiteren Einschränkung von Bürgerrechten herangezogen wird.

  • Ebenso wird die zuletzt eingeführte Anwendungsmöglichkeit von Tasern durch die Polizei vorerst nicht zurückgenommen. Der Einsatz soll lediglich durch Bodycams aufgezeichnet werden und bis 2024 evaluiert werden.

  • Das eingeführte Versammlungsgesetz wird nicht zurückgenommen. Zumindest gibt es Ende 2023 eine unabhängige, wissenschaftliche Evaluation. Spätestens dann sollte das fehlleitende Gesetz gestrichen werden!

  • Die bereits intensivierte Videoüberwachung soll weiter ausgebaut werden und an Kriminalitätsschwerpunkten Live-Bilder liefern. Unter dem Vorwand der Prävention soll zukünftig noch mehr überwacht werden. Hier werden auch bei der Anreise zu Fußballspielen oder im Stadion Bürgerrechte weiter eingeschränkt werden – eine Entwicklung, die nicht hinzunehmen ist.

Bestand ursprünglich die Hoffnung, dass es eine unabhängige Untersuchungseinrichtung zum Handeln der Polizei geben würde, ist im Koalitionsvertrag ausschließlich die Rede von einem Polizeibeauftragten für den Landtag. Der damalige Polizeibeauftragte ist selbst ehemaliger Polizeibeamte, ist beim Innenministerium von Reul angesiedelt und wurde von Reul mit der Funktion als Anwalt der Polizisten vorgestellt. Hoffen wir, dass zumindest der neue Polizeibeauftragte unabhängig von den Behörden die Arbeit der Polizei beobachten kann und darüber berichtet. Geld für mehr Forschung im Bereich der Kriminalität und Polizei wird bereitgestellt.

Leider wurde die Chance für eine fortschrittlichere Politik gegenüber Bürgerrechten nicht genutzt. Andere Bundesländer wie Bremen haben es vor gemacht und sind der Verschärfung der Polizeigesetze nicht gefolgt, haben unabhängige Beschwerdestellen außerhalb des Landtags/Senats eingerichtet, den Einsatz von Tasern verknappt sowie die Dauer eines möglichen Gewahrsams deutlich beschränkt. Es muss endlich Schluss mit der konservativen Law-and-Order-Politik durch das Innenministerium sein. Auch für Fußballfans müssen Bürgerrechte gelten. Wir werden die Entwicklungen deshalb weiterverfolgen, uns mit den anderen NRW-Fanhilfen austauschen und beraten, euch auf dem Laufenden halten und notfalls klagen!

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