18 Dez

Preussenfan nach Funkzellenabfrage unter Generalverdacht

Am 11.12.2021 fand das Revierderby zwischen dem VfL Bochum und Borussia Dortmund statt. Im Rahmen dieses Spieltags soll es am Kemnader See zu einer Auseinandersetzung zwischen Fußballfans der beiden Vereine gekommen sein. Beim Eintreffen der Polizei wurden allerdings keine weiteren Personen angetroffen. Sichergestellt werden konnten lediglich blaue T-Shirts, blaue und schwarze Schlauchschals sowie Zahnschutze. 

Mangels anderer erfolgsversprechender Ermittlungsansätze führte die Polizei eine sogenannte Funkzellenabfrage durch. Dies bedeutet, dass alle Mobiltelefone, die zum Tatzeitpunkt in der entsprechenden Funkzelle eingeloggt waren, festgestellt werden sollen, um Personen zu ermitteln, die sich in dieser Funkzelle aufgehalten haben. Auf Basis dieser Funkzellenabfrage fanden bei zahlreichen Beschuldigten Hausdurchsuchungen statt. Dabei wurden vor allem die Smartphones der Betroffenen beschlagnahmt. So auch das Mobiltelefon des Fanhilfe Mitglieds Tim (Name geändert), über dessen Fall wir hier berichten. 

Anlass für die Hausdurchsuchung und die Beschlagnahmung seines Mobiltelefons war jedoch lediglich die Tatsache, dass ein Mobiltelefon in der Funkzelle des angeblichen Tatorts eingeloggt war, das auf eine Person mit demselben Nachnamen registriert war. Abgesehen von dem Nachnamen passte allerdings nichts zum Profil von Tim: Das Geschlecht der Vertragsinhaberin, sowie die Firma, auf die der Vertrag des Telefons lief, stimmten bspw. nicht überein. Auch Familienangehörige mit einem entsprechenden Namen hat Tim nicht.

Eine Überprüfung, ob die Vertragsinhaberin des Mobiltelefons, das in die Funkzelle eingeloggt war, sich vielleicht schlicht zu einem Spaziergang am Kemnader See aufgehalten hatte, fand durch die Polizei nicht statt. Stattdessen wurde zu einer maximal intensiven Maßnahmen wie der Hausdurchsuchung bei Tim gegriffen, das Smartphone beschlagnahmt und dessen Beschädigung bis hin zur Zerstörung in Aussicht gestellt, falls die Person sich weigert, ihre PIN hinaus zu geben. Dies hätte bedeutet, dass den Ermittlern unzählige private Daten und Informationen zugänglich gemacht werden müssten.

Das Telefon sollte in diesem Fall einer sog. „physikalischen Sicherung“ unterzogen werden, wobei es sich um die Öffnung mit Spezialwerkzeugen handelt. Hierbei ist eine Beschädigung sicher zu erwarten. Jeder Smartphone Nutzer weiß, dass Smartphones heute weit mehr sind als ein einfaches Telefon. Sie sind Kamera, Fotospeicher, Kalender, Tagebuch und vieles mehr. Zahlreiche berufliche, persönliche oder gar intime Informationen befinden sich darauf. Von dem Wert eines solchen Gerätes einmal ganz zu schweigen. 

Tim wehrte sich mit Hilfe unserer Fanhilfe Anwältin Lisa Grüter rechtlich gegen die Beschlagnahmung und die in Aussicht gestellte Zerstörung seines Mobiltelefons. Er machte deutlich, dass für seine Beteiligung an der angeblichen Drittortauseinandersetzung ebenso wenig Anhaltspunkte vorliegen, wie für die Behauptung, dass er überhaupt am betreffenden Tage am Kemnader See gewesen sein solle. Nun ist es ihnen gelungen, sich erfolgreich gegen diese Beschlagnahmung zu wehren. Dieser Fall zeigt, dass es sich lohnt, sich nicht alle Maßnahmen gefallen zu lassen und juristisch dagegen vorzugehen. 

30 Sep

Gemeinsame Stellungnahme der beteiligten Anwälte und der Fanhilfe Münster zur Einstellung des Verfahrens gegen den Polizeibeamten im Fall des Balljungen

Die Staatsanwaltschaft Münster hat das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten, der im Mai 2019 einen minderjährigen Balljungen während eines Platzsturms der gegnerischen Fans geschlagen und verletzt hat, gemäß § 153a StPO eingestellt.

Die Vorschrift erlaubt es, von der Erhebung einer Anklage abzusehen, wenn die erteilten Auflagen und Weisungen geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der Schuld dem nicht entgegensteht. Eine solche Entscheidung wird durch die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Amtsgerichts getroffen. Die Weisung besteht in Zahlung eines Geldbetrages von insgesamt 900,00 €, wovon die Hälfte an den Balljungen, die andere Hälfte an eine gemeinnützige Einrichtung zu entrichten ist.

Dies entsetzt uns aus mehreren Gründen. Es ist aber aus unserer Sicht keine Überraschungsentscheidung, da wir von Seiten der Staatsanwaltschaften häufiger eine mutmaßlich prinzipielle Parteilichkeit mit Polizeibeamten beobachten müssen.

Aus unserer Sicht steht vorliegend ein vorsätzlich begangenes Vergehen der Körperverletzung im Amt im Raum, das immerhin mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten geahndet wird, und nicht, wie die Staatsanwaltschaft annimmt, allenfalls ein Fahrlässigkeitsdelikt. Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung dürfte sich in der Berichterstattung nicht nur in der enormen Reaktion von Fußballfans, sondern auch in den Reaktionen von weiten Teilen der Zivilbevölkerung dokumentiert haben.

In seiner Begründung für die Einstellung behauptet der Staatsanwalt, die mediale Auseinandersetzung sei maßgeblich durch die Eltern oder Anwälte initiiert worden und hätte zudem vornehmlich das weitere Verhalten der Polizei am Abend des Tattages zum Gegenstand gehabt, welches eindeutig gegen die Strafprozessordnung verstoßen hatte und Druck auf den Balljungen und seine Familie aufbaute. Das ist aus unserer Sicht eine Frechheit und verkehrt Ursache und Wirkung.

Nach unserer Erfahrung hat allein der Umstand, dass zahlreiche Videoaufnahmen des in Rede stehenden Vorfalls existieren und diese umgehend medial viral gingen, dazu geführt, dass dieser Fall von unverhältnismäßiger Polizeigewalt überhaupt zu einer formalen Reaktion der Staatsanwaltschaft geführt hat, was die damalige Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Münster im Übrigen ebenfalls bestätigt.

Wir verweisen auf die Studie der Ruhr-Universität Bochum unter Leitung des Kriminologen Tobias Singelnstein, wonach das sogenannte Dunkelfeld bei Fällen von Polizeigewalt aufgrund verschiedener Aspekte ungleich höher ist als bei anderen Straftaten. Die Einstellungsquote in Verfahren von Polizeigewalt ist extrem hoch, die Verurteilungsquote extrem niedrig im Vergleich zur Gesamtzahl aller Straftaten. Singelnstein sieht in derartigen Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt vor allem die Staatsanwaltschaften in der Verantwortung, denen er vorwirft, ihr Verhältnis zur Polizei nicht belasten zu wollen und von der Grundannahme geleitet zu sein, dass Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt in der Regel unberechtigt seien.

Genau dieser Eindruck wird uns im vorliegenden Verfahren bestätigt: Hier hat die Staatsanwaltschaft in einer viereinhalbseitigen Verfügung Ausführungen dazu gemacht, warum das Verfahren eingestellt werden kann. Diese Ausführungen zeigen deutlich, dass der Staatsanwalt hier einen bemerkenswerten juristischen Limbotanz aufführen musste, um zu dem von ihm gewünschten Ergebnis zu kommen.

Aus der staatsanwaltlichen Verfügung geht auch hervor, dass es noch ein persönliches Gespräch zwischen Staatsanwalt und beschuldigtem Polizeibeamten nach dessen polizeilicher Vernehmung gegeben haben muss, in der sich der Staatsanwalt einen „persönlichen Eindruck“ verschaffen konnte. Es dürfte nicht sonderlich überraschen, dass unseren Anwälten derartige Hofierungen von Zivilpersonen, die einer Straftat beschuldigt wurden, nicht bekannt sind.

Wenn im Vorfeld in der Presse kolportiert wurde, dass die erste polizeiliche Vernehmung des beschuldigten Beamten „aus Neutralitätsgründen“ sehr bewusst in Bielefeld stattgefunden hat, so muss man zwar festhalten, dass die Neutralität der Polizei durch die Vernehmung in Bielefeld in gewisser Weise gegeben war. Der weitere Gang des Verfahrens zeigt jedoch, dass auch Maßnahmen zur Sicherstellung der Neutralität der Staatsanwaltschaft angezeigt gewesen wären.

Diesem strukturellen Defizit kann unserer Erfahrung nach nur durch öffentliche Skandalisierung der Vorfälle begegnet werden. Dies hat vorliegend sehr erfolgreich stattgefunden und aus unserer Sicht dafür gesorgt, dass dieser Fall nicht wie viele andere im Dunkelfeld verbleibt. Dass der Geschädigte hier auf die Hilfe der sogenannten „vierten Gewalt“, der Presse, setzen konnte und musste, sollte von der Staatsanwaltschaft nicht gegen ihn verwendet werden, sondern dieser zu denken geben. Solange die drei Gewalten der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung ihre Aufgabe nicht erfüllen, ihre Bürger auch vor gewalttätigen Übergriffen von Polizisten zu schützen, ist eine mediale Skandalisierung gleichgearteter Vorfälle zwingend.

Erschreckend ist unserer Ansicht nach auch, dass durch die Staatsanwaltschaft das Fehlverhalten des Polizeibeamten in erster Linie als sorgfaltswidrig dahingehend ausgelegt wurde, dass dieser in der Annahme gehandelt habe, einen KSC-Fan zu treffen, der unter Missachtung der Anordnung, den Platz lediglich bis zur Mittellinie zu stürmen, die Polizeibeamten hätte passieren wollen. Demnach wäre es wohl in Ordnung gewesen, KSC-Fans zu schlagen, was im Übrigen Videos in anderen Fällen ebenfalls dokumentiert haben (hier und hier).

Darüber hinaus lasse sich, so die Staatsanwaltschaft, die Aussage des Beamten, er habe diese Person durch einen vehementen Schubser/Stoß gegen die Brust eindrücklich zurückstoßen wollen, nicht widerlegen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser dabei „abgerutscht“ sei und „ihn (gemeint ist der Stoß) aus nicht abschließend aufklärbaren Gründen in einer Art und Weise ausgeführt hat, dass der Beschuldigte im Ergebnis mit dem rechten Arm, indem er unglücklicherweise auch noch den Einsatzmehrzweckstock nach Art einer Schiene am Unterarm führte, den Kopf des Geschädigten traf“. Diese „doppelte Sorgfaltswidrigkeit“ (Wahrnehmungsfehler vermeintlicher KSC-Fan sowie Stoß/Schubser-Ausführung) führt letztlich dazu, dass die Staatsanwaltschaft überhaupt von einem strafbewehrten Verhalten ausgeht, das eine sogenannte Opportunitätsentscheidung im Rahmen einer Einstellung gegen Geldauflage erforderlich macht.

Diese hoch kreative Sachverhaltsauslegung quält die Unschuldsvermutung bis zur Unkenntlichkeit. Die Staatsanwaltschaft macht sich die abwegigen und nur unter dem Druck des vorhandenen Videomaterials geäußerten Einlassungen des Beschuldigten zu eigen und verliert damit aus unserer Sicht jede kritische Distanz. Der Beschuldigte eines Strafverfahrens darf lügen und beschönigen, um den für sich bestmöglichen Ausgang eines Strafverfahrens zu erreichen. Die Staatsanwaltschaft hingegen ist zu Objektivität verpflichtet!

Dass dem beschuldigten Polizeibeamten, der im Rahmen seiner Vernehmung die Einsatzsituation völlig überdramatisiert dargestellt hat und auf Vorhalt der Videosequenzen mehrfach einräumen musste, dass diese sich nicht mit seinen Schilderungen in Einklang bringen lassen, attestiert wird, er habe einen Balljungen nicht derart angehen wollen, ist das eine. Das glauben wir ihm sogar. Dass er aber generell Menschen (und darunter fallen auch KSC-Fans!) so nicht behandeln wollte, glauben wir hingegen nicht. Und dies scheint für die Staatsanwaltschaft auch kein großes Problem darzustellen.

Dass ihm zugute gehalten wird, dass er an einem Ausgleichsgespräch mit dem Geschädigten interessiert war, mag rechtlich vertretbar sein, wir haben uns zu der Art und Weise, mit der die Familie bedrängt wurde und den Gründen der Familie, sich hierfür nicht herzugeben, bereits öffentlich auseinandergesetzt.

Die Staatsanwaltschaft billigt dem Beschuldigten ein sogenanntes „Augenblicksversagen“ im Rahmen seiner von „Gefahr geneigten Umständen“ geprägten, per Definition auf physische Konfrontation mit Dritten angelegten Tätigkeit als Polizeibeamten zu. Das stellt aus unserer Sicht die Gefahr eines Freibriefs für prügelnde Polizeibeamte dar.

Die Einstellung des Verfahrens zeugt von dem unausreichenden und unreflektierten staatlichen Umgang mit Polizeigewalt und kolportiert Bemühungen, Vertrauen in einen funktionierenden Rechtsstaat zu haben. Wir kritisieren die Ermittlungsweise und die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf das Schärfste und sind erschüttert, dass selbst ein derart dokumentierter Fall von Polizeigewalt mit einer Einstellung im bestmöglichen Sinne für den Polizeibeamten abgehandelt wird. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ohne eine Verhandlung vor Gericht läuft jeglichen Vorstellungen von Objektivität und Transparenz zuwider und lässt Opfer von Polizeigewalt von staatlicher Seite aus wiederholt alleine.

26 Jul

Meldeauflage und Bereichsbetretungsverbot rechtswidrig

In den letzten Jahren versuchte das Polizeipräsidium Münster, inoffiziell Deutscher Meister darin zu werden, Meldeauflagen und insbesondere Bereichsbetretungsverbote gegen Fußballfans auszusprechen. Seit 2015 wurden so mindestens 600 Bereichsbetretungsverbote ausgesprochen. Im Januar 2017 erhielt auch unser Mitglied Dieter (Name geändert) eine Anhörung für eine Meldeauflage für das anstehende Derby in Osnabrück sowie eine Anhörung für ein Bereichsbetretungsverbot für das folgende Heimspiel gegen den F.C. Hansa Rostock. Dieter wandte sich daraufhin an die Fanhilfe Münster, da er nie zuvor solche Schreiben erhielt.

Gemeinsam bereiteten wir mit anwaltlicher Unterstützung in beiden Fällen eine Einlassung vor, in der die Polizei Münster aufgefordert wurde, die polizeilichen Erkenntnisse mitzuteilen, auf die sich die Maßnahmen begründen sollten. Dieser Aufforderung kam das Polizeipräsidium nicht nach, sondern sprach wenige Tage nach der eingereichten Einlassung die angedrohte Meldeauflage sowie das Bereichsbetretungsverbot ohne weitere Überprüfung aus. Somit hatte Dieter keine Möglichkeit, sich gegen etwaige Vorwürfe zu wehren. In den Verfügungen der Maßnahmen wurde als einzige, polizeiliche Erkenntnis mitgeteilt, dass Dieter bei einem Gastspiel in Mainz im Februar 2016 bei einer Auseinandersetzung auffällig geworden sein soll und hierdurch in der Datei Gewalttäter Sport unwissend gespeichert worden war, sodann der „gewaltbereiten Fanszene“ zugerechnet wurde. Ein hierzu eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde im November 2016 von der Staatsanwaltschaft Mainz nach §170 Abs. 2 StPO eingestellt, weswegen die polizeilichen Erkenntnisse nicht mehr aktuell waren. Ein Stadionverbot hingegen bestand gegen Dieter zu keiner Zeit.

Hiernach kamen wir zusammen zu dem Entschluss, mit dem von uns vermittelten Anwalt Klage gegen die erhobene Meldeauflage sowie das Bereichsbetretungsverbot vor dem Verwaltungsgericht Münster einzureichen. Nach über zwei Jahren können wir nun das Ergebnis des Verfahrens mitteilen: beide Maßnahmen waren rechtswidrig, was das Polizeipräsidium erst am 14. März 2019 endgültig anerkannte und sich zuerst sogar weigerte, die erst durch die Polizei entstandenen Kosten zu übernehmen, obwohl Dieter keine Chance hatte, sich im Vorfeld gegen die Maßnahmen zu wehren und mit unserer Hilfe finanziell in Vorleistung treten musste.

Im Laufe des Verfahrens behauptete die Polizei Münster sogar, keine Kenntnis gehabt zu haben, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei. Mit diesem Umstand wurden die Maßnahmen vom Verwaltungsgericht Münster als rechtswidrig erklärt, da erstens das Polizeipräsidium ihre polizeilichen Erkenntnisse hätte überprüfen müssen hinsichtlich ihrer Aktualität und zweitens hätte die Polizei Münster Dieter eine Chance einräumen müssen, ordnungsgemäß auf die polizeilichen Erkenntnisse zu reagieren. Vor gut einer Woche hat dann auch das Polizeipräsidium Münster als letzten Akt die Kosten erstattet.

Mittlerweile beobachten wir eine Veränderung im Vorgehen der Münsteraner Polizei, sodass nicht nur die Zahl der Bereichsbetretungsverbote rückläufig ist, sondern in den Anhörungsschreiben nun auch die polizeilichen Erkenntnisse gegen die betroffenen Personen gelistet werden. Trotzdem stellen wir auch hier fest, dass weiterhin polizeiliche Erkenntnisse zu Rate gezogen werden, die nicht mehr aktuell sind oder gar nicht im Fußballkontext auftreten und zudem Fans betroffen sind, gegen die nicht einmal ein Stadionverbot besteht. Somit wollen wir Betroffene auffordern, sich bei uns zu melden! Der Fall um Dieter zeigt, dass es möglich ist, erfolgreich gegen die polizeiliche Praxis vorzugehen und den blinden Aktionismus einzudämmen!

03 Apr

Täterbeschreibung: „Schwarze Jacke“

Das Auswärtsspiel in Duisburg im Februar 2017 wird wohl nur noch wenigen Preußen-Fans in guter Erinnerung sein. Vor dem Spiel gab es etliche Betretungsverbote, etwas Pyro wurde abgebrannt, wobei ein Bengalo auf die Rollstuhlfahrerplätze flog und der MSV drehte das Spiel in den letzten Minuten. Fanhilfe-Mitglied Sven (Name geändert) hatte das Spiel schon fast vergessen, als die Polizei eines Morgens an seiner Tür klingelte und einen Durchsuchungsbeschluss vorzeigte.

Der Gästeblock beim Spiel in Duisburg im Februar 2017. (Foto: privat)

Nachdem die Polizisten die Wohnung wieder verlassen hatten, wandte sich Sven an die Fanhilfe und bekam eine Anwältin vermittelt, die Licht ins Dunkel brachte. Es bestehe der Verdacht, dass er den besagten Bengalo geworfen haben soll. Vorwurf: versuchte gefährliche Körperverletzung.

Zunächst blieb für Sven unklar, wie sich dieser Verdacht begründet, der ausreichte, um eine Hausdurchsuchung durchzusetzen. Schneller war hingegen der MSV Duisburg, der ein zweieinhalbjähriges Stadionverbot gegen den vermeintlichen Übeltäter verhängte.

Für Sven hieß es, die Gerichtsverhandlung abzuwarten, damit er freigesprochen werden würde und er wieder ins Stadion gehen könnte. Die Verhandlung fand im Sommer 2018 statt. Wichtigstes Beweismittel war die Aussage einer Ordnerin, die den Werfer gesehen haben wollte. Eine schwarze Jacke solle dieser getragen haben, so ihre Aussage. Genaueres konnte sie nicht sagen. Das Urteil des Gerichts fiel eindeutig aus: Freispruch. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Zeitnah beantragte Svens Anwältin beim MSV die Aufhebung des Stadionverbots. Was nach einem Fingerschnipp klingt, entwickelte sich mehr und mehr zur Geduldsprobe. Der MSV weigerte sich, Tage und Wochen vergingen und mehrere Kanäle wurden beansprucht. Etliche Versuche später wurde das Stadionverbot im Januar 2019 aufgehoben. Ein Dank für die Mithilfe hierbei geht an den Sicherheitsbeauftragten des SC Preußen und engagierte MSV-Fans.

Ermittlungsverfahren, Hausdurchsuchung und eineinhalb Jahre Stadionverbot – alles wegen einer dünnen Aussage, die wohl auf 80% der Gästefans zugetroffen hat. Was bleibt, ist einer von vielen Fällen, der die Bedenklichkeit der Stadionverbotsvergabepraxis vieler Vereine und des DFB unterstreicht.

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